Bei dem vorliegenden Werk handelt es sich um eine Sammlung von 18 Texten des bekannten Neurologen und Psychiaters Viktor E. Frankl, dem Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse. Es ist eine bearbeitete Neuauflage der bereits im Jahr 2000 erschienenen gleichnamigen Originalausgabe. Diesmal mit Bezug zu aktualisierten Ausgaben der Texte und Kommentaren von Frankls berühmtester Schülerin Elisabeth Lukas. Warum im Buch das Erscheinungsdatum der Originalausgabe mehrfach mit 1996 wiedergegeben wird, ließ sich nicht abschließend klären, obwohl der ursprüngliche Herder Verlag, Freiburg, dass Erscheinungsjahr 2000 bestätigte.
Lukas begründet die Neuauflage des vergriffenen Werks in einem Nachwort damit, dass „wir heute nicht weniger als unsere Altvorderen mit der Frage konfrontiert (sind), wie sehr wir misslichen Bedingungen unterliegen, und ob wir noch eine Chance haben, trotz allem ein lebenswertes Leben kreativ zu gestalten beziehungsweise unseren Kindern eine lebenswerte Zukunft zu erretten“ (S. 245). Dieser Sinnfrage widmete sich Viktor Frankl in seinem ganzen Wirken, der als Psychologe Erlebnisse und Erfahrungen in vier verschiedenen Konzentrationslagern, darunter Ausschwitz, zu verarbeiten wusste.
So sieht der Vorstand des Viktor-Frankl-Instituts in Wien, Alexander Batthyány, in seinem Vorwort die ausgewählten Texte als einen „Werkzeugkasten“, der bereits im Leben zahlloser „Menschen tiefgreifende positive Änderungen“ bewirkt habe (S. 11). Es gehe um die Art und Weise, wie wir die Werkzeuge anwenden, um unser Leben sinnvoll zu gestalten.
Gleich im ersten Text von Frankl geht es um die sich um alles drehende „Suche des Men-schen nach Sinn“. Wie notwendig diese Neuauflage erscheint, zeigt sich in dem Kommentar von Lukas zur aktuellen Weltsituation: „Angesichts von Krieg, Pandemie, Klimawandel, Flüchtlingselend et cetera geht es vielmehr um ein kollektives Verantwortungsbewusstsein – ein Hauptthema der Franklschen Existenzanalyse.“ (S. 19) Die Texte Frankls sind Fallge-schichten, aus denen die Leser sinnstiftende Rückschlüsse und Handlungsperspektiven für ihre persönliche Situation ableiten können. Diese stammen allerdings aus einer anderen Zeit und können in der gewandelten Gesellschaft auch zu Miss- oder Unverständnissen führen. Doch um der Authentizität willen wurden sie unverändert belassen, wie z. B. die Begriffe „Farbiger“ (S. 25) oder „Anstalt für Idioten“ (S. 203).
Wenn es um Themen wie die „Frage der Freiheit und Entscheidungsfähigkeit“, der „Wech-selwirkung von Leib und Seele“, „Gewissen“, „Verantwortung“, der „Verwandlung eines Lei-dens in eine menschliche Leistung“, „Lebensbejahung“ und „Hilfe in extremen Lebenssituationen“ geht, um nur einige zu nennen, können die Fallbeispiele aus dem realen Leben realer Zeitgenossen ein hilfreicher Werkzeugkasten für ganz persönliche Lebensfragen sein. Und gerade in so unsicheren Zeiten, wie derzeit, ist es nachzuvollziehen, dass das vergriffene Werk eine Neuauflage erfahren hat. Immer noch können diese Texte sinnsuchende Menschen ermutigen. Der Viktor-Frankl-Preis Trägerin der Stadt Wien und Autorin von mehr als 30 Büchern, Elisabeth Lukas, sei es gedankt.
Stephan G. Brass
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