Nach einem Jahr Krieg in der Ukraine meldet das Institut für Religionsfreiheit (IRF), eine ukrainische Menschenrechtsorganisation, Beeinträchtigungen der Religionsfreiheit sowie massive Schäden an religiösen Gebäuden. Der russische Einmarsch in der Ukraine habe für Christen in der Ukraine, in Russland und sogar in anderen osteuropäischen Ländern diverse Probleme mit sich gebracht. Das IRF berichtet, dass mindestens 494 religiöse Gebäude, davon 24 adventistische Kirchen, in der Ukraine durch das russische Militär zerstört, beschädigt oder geplündert wurden.
Ukrainisch-orthodoxe und protestantische Kirchen am meisten betroffen
Zu den am stärksten betroffenen religiösen Gruppen gehörten laut IRF die ukrainisch-orthodoxe Kirche (143) und evangelische Kirchen (146). Auch viele religiöse Persönlichkeiten und Gläubige seien von den russischen Streitkräften und Geheimdiensten ins Visier genommen worden, vor allem in den besetzten Gebieten der Ukraine. Christen aus protestantischen Kirchen (Pfingstler, Baptisten, Adventisten, Charismatiker und andere) seien besonders betroffen, da die Russen sie als „amerikanische Spione“, „Sektierer“ und „Feinde des russisch-orthodoxen Volkes“ bezeichneten, so die Menschenrechtsorganisation.
Politisierung und Spaltung unter orthodoxen Christen
Der Krieg habe auch zu einer unzulässigen Politisierung des Glaubens und zur Spaltung unter orthodoxen Christen geführt, berichtet IRF. Die kriegsbefürwortenden Äußerungen des Moskauer Patriarchen Kirill hätten dazu geführt, dass kirchliche Gruppen das Moskauer Patriarchat verlassen wollen und in vielen osteuropäischen Ländern eine negative Voreingenommenheit gegenüber orthodoxen Christen herrsche. Der ukrainische Präsident Selenskyj habe die ukrainisch-orthodoxe Kirche, die dem Moskauer Patriarchat untersteht, verboten. Der Menschenrechtsaktivist Jewgenij Sacharow habe diese Entscheidung als „Fehler“ bezeichnet, der Millionen von Gläubigen wegen der Verbrechen einer Handvoll Menschen Einschränkungen auferlege.
Größte Zerstörung religiöser Gebäude im Gebiet von Donezk und Luhansk
Die meisten Kirchen, Moscheen und Synagogen wurden im Gebiet Donezk (mindestens 120) und im Gebiet Luhansk (mehr als 70) zerstört, so das Institut. Das Ausmaß der Zerstörung sei auch in der Region Kiew (70), „wo verzweifelte Kämpfe zur Verteidigung der Hauptstadt stattfanden“, und in der Region Charkiw (mehr als 50 zerstörte religiöse Gebäude) enorm. Die russischen Luftangriffe, auch mit iranischen Drohnen, würden fast alle Regionen der Ukraine betreffen und dauerten an.
Religiöse Gebäude als russische Militärstützpunkte missbraucht
Das Institut für Religionsfreiheit hat auch viele Fälle dokumentiert, in denen religiöse Gebäude in der Ukraine beschlagnahmt und als russische Militärstützpunkte oder zur Verschleierung der Feuerstellungen russischer Truppen genutzt worden seien. Diese Taktik des russischen Militärs führe dazu, dass die Zerstörung religiöser Stätten in der Ukraine zunehme.
Institut für Religionsfreiheit (IRF)
Das Institut für Religionsfreiheit (IRF) ist eine 2001 in Kiew/Ukraine gegründete Nichtregierungsorganisation (NRO), die sich für die Menschenrechte einsetzt. Es arbeitet laut Selbstdarstellung „als unabhängige NRO finanziert durch Spenden und Zuschüsse.“ Die Wirksamkeit des IRF werde von einem Team mit über 20 Jahren Erfahrung in der Menschenrechtsarbeit und der Förderung des interreligiösen Dialogs bestimmt. „Der Erfolg unserer Projekte wird durch ein Netzwerk von hoch spezialisierten Anwälten, Experten, Wissenschaftlern und Freiwilligen gewährleistet, mit denen wir in verschiedenen Bereichen zusammenarbeiten.“
Hauptziele der IRF (auf Englisch): https://irf.in.ua/i/1
Bildlegende:
Konfessionelle Zugehörigkeit der durch das russische Militär teilweise bzw. völlig zerstörten oder geplünderten religiösen Gebäude. Die Zunahme (+) betrifft die Zeit vom 15. Juli 2022 bis 31. Januar 2023.
Zur IRF-Webseite mit der Grafik: https://irf.in.ua/p/105